Im Jahre 2018 feiert die Straße der Romanik ihr 25-jähriges Jubiläum. In Sachsen-Anhalt führen über 1000 Kilometer zu den Schauplätzen europäischer Herrschaftsgeschichte.
Allzu oft wird im Zusammenhang mit der Epoche des Mittelalters vom 6. bis zum 15. Jahrhundert von einem „dunklen Zeitalter“ gesprochen. Das trifft sicher auf zahlreiche kriegerische Auseinandersetzungen und grausame Rituale zu, doch es gab durchaus auch „helle“ Aspekte und beinahe romantische Umstände in all dem Machtstreben. Das waren noch Zeiten: Im Jahre 929 entsandte König Heinrich I. eine Delegation nach England, um eine Braut für seinen Sohn Otto finden zu lassen, der sein Thronfolger war. Damit wollte er nicht nur seinen Sohn vorteilhaft verheiraten, sondern auch durch eine Hochzeit mit einer Vertreterin eines angelsächsischen Königshauses die Legitimation der noch jungen Königsherrschaft der Liudolfinger festigen. Ganz nebenbei wurde dadurch auch das ostfränkische mit dem westfränkischen Königtum auf eine Ebene gestellt, dessen König Karl bereits zehn Jahre zuvor eine angelsächsische Prinzessin geheiratet hatte. Das angelsächsische Königsgeschlecht von Wessex war mit einer großen Anzahl Prinzessinnen gesegnet, Otto als Thronfolger des Ostfrankenreichs ein durchaus attraktiver Schwiegersohn, darüber hinaus hatten beide in den Dänen einen gemeinsamen Feind. Aethelstan schickte daher sogleich zwei seiner Halbschwestern als mögliche Bräute zur Auswahl nach Sachsen, Editha und ihre ältere Schwester Edgiva. Otto entschied sich für Editha, Edgiva reiste mit ihrer Gesandtschaft weiter nach Burgund und heiratete dort den Bruder des Königs Rudolf II., wodurch wiederum die engen Bindungen der Liudolfinger zu den Rudolfingern verstärkt wurden.
Bei all diesen vor allem machtpolitisch motivierten Hochzeiten des Mittelalters blieb naturgemäß die Zuneigung der Partner auf der Strecke, meistens ging man sich aus dem Weg, zeigte sich nur zu offiziellen Anlässen gemeinsam. Es ging allerdings auch anders. So wird die Beziehung zwischen König Otto dem Großen und Editha als besonders liebevoll beschrieben, außerdem soll die Tochter Eduards des Älteren von Wessex und Enkelin Alfreds des Großen eine attraktive, gebildete und fromme Persönlichkeit gewesen sein, die auch im Volke sehr beliebt war. Kein Wunder also, dass Otto sie reichlich beschenkte: Editha erhielt als Morgengabe die Einkünfte aus den Ländereien um Magdeburg, die später den wirtschaftlichen Grundstock des Bistums Magdeburg bildeten. Und Magdeburg wurde zum Lieblingsort des Königspaares, dessen Glück tragischer Weise nur von kurzer Dauer war. 936 starb Heinrich I., Otto I. wurde in Aachen zum König gekrönt. Als Königin erfüllte Editha wichtige Aufgaben im Reich, widmete sich unter anderem der Rechtsprechung, förderte die Reichsklöster und kümmerte sich um die Memoria der Ottonen. Nur zehn Jahre später, im Jahre 946 starb Editha unerwartet, sie wurde 36 Jahre alt. Ihr Gemahl Otto soll sehr um sie getrauert haben. Tatsächlich gibt es auch frühere Belege, dass Otto seine Königin sehr schätzte. Als 939 ein Graf für seine Gefolgschaft das Kloster Lorsch forderte, in dem Editha sich aufhielt, soll er geantwortet haben: „Ihr sollt das Heilige nicht den Hunden geben und eure Perlen nicht vor die Säue werfen.“ Die Liudolfinger, die auch Ottonen genannt wurden, regierten im ostfränkisch-deutschen Reich noch bis 1024 durch die drei Kaiser Otto I., Otto II. und Otto III.
Der Ausflug in die Geschichte des Mittelalters zeigt deutlich, dass es sich im heutigen Sachsen-Anhalt und besonders in und um Magdeburg zahlreiche Spuren deutscher und europäischer Herrschafts- und Kulturgeschichte finden lassen. Da ist an erster Stelle der Magdeburger Dom zu nennen, in dem man das Grab Edithas und das in Stein gemeißelte Königspaar Editha und Otto des Großen bewundern kann. Auch der Kreuzgang ist ein beeindruckendes Zeugnis romanischer Architektur. Im benachbarten Haus der Romanik bekommt man eine empfehlenswerte Einführung zur Straße der Romanik, zur Architektur jener Zeit und zu den Orten der Nord- und Südroute mit Magdeburg im Zentrum. Die Straße der Romanik ist eine faszinierende Entdeckungsreise ins Mittelalter, nirgendwo sonst in Deutschland gibt es so viele Zeugnisse aus der Romanik wie im heutigen Sachsen-Anhalt. Magdeburg ist Zentrum und zugleich Ausgangs- und Endpunkt der Nord- und Südroute der Straße der Romanik. Die über 1.000 km lange Route führt durch das gesamte Bundesland zu 72 Bauwerken und in über 60 Orte. Wehrhafte Burgen, Dome, Klöster und Kirchen aus dem 10. bis 13. Jahrhundert sind Zeugnisse der Zeit der Christianisierung mit Kreuz und Schwert.
Im Jahre 2018 wird das 25. Jubiläum der Straße der Romanik gefeiert. Zu den Höhepunkten zählt eine Festwoche vom 6.-12. Mai 2018 mit Festakt am 7. Mai im Dom zu Magdeburg und der Romanik-Tag am 12. Mai 2018. Die Domfestspiele finden vom 30. Mai bis 3. Juni 2018 statt. Auch das Kloster Unser Lieben Frauen und die Kathedrale St. Sebastian unweit des Doms sollte man in Magdeburg auf den Spuren der Romanik unbedingt besuchen. Hinzu kommt das Dommuseum Ottonianum Magdeburg, das im Spätherst 2018 direkt am Domplatz eröffnet wird. Es präsentiert die ganze Vielfalt der archäologischen Funde im und am Magdeburger Dom und die kulturgeschichtlichen Entwicklungen von der Zeit Kaiser Ottos des Großen bis zum Ausgang des Mittelalters. Bei all den Blicken in die Geschichte sollte nicht unerwähnt bleiben, dass Magdeburg heute eine aufstrebende, junge und dynamische Universitätsstadt ist, die ihr großes touristisches Potenzial gerade erst zu entdecken scheint.
Ein Besuchermagnet auf der Straße der Romanik ist auf ihrer Südroute die mit ihren Kopfsteinpflastergassen mittelalterlich anmutende UNESCO-Welterbestadt Quedlinburg. Der Münzberg, die Stiftskirche St. Servatius, die Wipertikirche und mehr als 2000 Fachwerkhäuser in der historischen Altstadt machen diesen Ort zum offenen Museum. Hier befindet man sich in einem Bilderbuch der Baugeschichte von der Romanik bis zur Renaissance. Ab 919 gehörte Quedlinburg zu den Lieblingsorten deutscher Kaiser und Könige, wer die imposante romanische St. Servatius Stiftskirche und den wertvollen Domschatz einmal gesehen hat, wird sicher nicht das letzte Mal hier gewesen sein. Etwas leiser, aber nicht weniger bedeutend, kommen viele kleine Orte wie zum Beispiel Gernrode an der Straße der Romanik daher. Die romanische Stiftskirche St. Cyriakus wurde von Markgraf Gero, einem treuen Gefolgsmann Otto I., im Jahre 961 dem Heiligen Cyriakus geweiht. Ihr bedeutendstes Kunstwerk ist die älteste noch erhaltene Nachbildung des Heiligen Grabes nördlich der Alpen.
Jubiläumsveranstaltungen an der Straße der Romanik in 2018
Unter der Überschrift „Pracht und Mythos in Sachsen-Anhalt. Schätze entdecken an der Straße der Romanik“ wird es drei Sonderausstellungen geben:
- Halberstädter Dom und Domschatz: 13.04. - 28.10.2018
- Kloster Memleben: „Wissen und Macht. Der Hl. Benedikt und die Ottonen.“ 07.05. - 15.10.2018
- Merseburger Dom: „Thietmars Welt. Ein Bischof schreibt Geschichte.“ 15.07. - 04.11.2018
In Magdeburg wird es am 7.5.2018 einen „Tag der Romanik“ geben mit Gottesdienst und Konzerten im Dom. Außerdem stehen 2018 die Wiedereröffnung der Krypta im Kloster Unser Lieben Frauen sowie die Eröffnung des neuen Dommuseums Ottonianum im Fokus.
Text/Fotos: ©Jörg Berghoff, PRB